Empathie – die Kunst, sich in andere hinein zu versetzen
Ob Sie gut kommunizieren können, als beliebt und sympathisch gelten oder erfolgreich sind, hängt wesentlich von einer Fähigkeit ab, die als Empathie bezeichnet wird. Noch nie gehört? Macht nichts, ich stelle sie Ihnen hier vor und zwar mit einigen Beispielen und Anwendungstechniken.
Empathie ist die Kunst, sich in andere Menschen hinein zu versetzen, deren Sichtweisen einzunehmen, ja sogar aus ihrer Perspektive die Welt wahrzunehmen. Was mir das bringt? Nun, meine eigene Wesensart und die Art, wie ich die Welt sehe, kenne ich ja. Wenn ich mir nun aber bewusst mache, dass das natürlich nur eine von unendlich vielen Betrachtungsweisen ist und, dass andere Menschen die Dinge gänzlich anders sehen – sonst wäre Evolution gar nicht möglich – dann ist es doch sinnvoll und übrigens auch höchst spannend, diese kennen und vielleicht sogar verstehen zu lernen, richtig?
Die meisten Menschen beziehen alles Erlebte jedoch sofort und ausschließlich auf sich, ordnen es in ihr Bewertungsschema ein und sind damit gefangen in der eigenen Realität. Ein Beispiel gefällig? Kein Problem. Hier ein Dialog, wie er in ähnlicher Form unzählige Male abläuft: „Wie war´s im Urlaub?“ „Oh, stellen Sie sich vor, ich war tagelang mit einer Infektion im Bett. Null Erholung. Da fahr ich nie mehr hin..!“ Antwort: „Kenn ich, ist mir mal in Kenia passiert, damals war meine ganze Familie eine Woche krank. Das kam so,….“
Jetzt folgt meist ein endloser Monolog, den natürlich kein Mensch interessiert, außer den Erzähler selbst. Die Kommunikation ist gestorben, mehr noch, der gerade aus dem Urlaub zurück Gekehrte ist sauer, dass man ihm und seinem Erlebten keine Beachtung schenkt.
Was er eigentlich hören wollte ist: „Oh, das tut mir aber leid, dass sie krank waren und sich gar nicht erholen konnten. Wie ist das denn passiert mit der Infektion?“ Durch diese Anteilnahme kommt man in die Erlebniswelt des anderen, lernt also etwas in dieser Form neues kennen, wirkt interessiert und sympathisch und lernt Empathie, also mit dem anderen mitzufühlen. So einfach ist das! Und doch so schwer…!
Einer der Kernsätze der Kommunikationslehre lautet: interessierte Menschen sind interessante Menschen. Gilt mein Interesse also überwiegend den Erlebnissen, Erkenntnissen und Sichtweisen der anderen, dann lerne ich laufend dazu, bleibe offen und neugierig, erreiche die Menschen schnell und bin immer willkommen.
Die Alternative: ich bleibe in meiner begrenzten Welt, lerne nichts dazu, denn das was ich mitzuteilen habe, kenne ich ja und interessiert meine Mitmenschen nur sehr bedingt. Auch wenn sie mir höflich zuhören…!
Aber, wie kann man erfolgreich werden durch Empathie? Stellen Sie sich einmal vor, wie leicht jede Verpackung aufgehen würde, wenn die Designer dieser Welt sich außer auf Haltbarkeit, Lagerung etc. darauf konzentrieren würden, dass ihre Behältnisse leicht und komfortabel zu öffnen sind. Dazu müssten sie eigentlich nur in die Rolle des Benutzers schlüpfen, die Dinge aus deren Sicht entwickeln und den kodierten Reflex beachten: wer sich beim Öffnen einer Verpackung nämlich verschmutzt oder gar verletzt, der verbindet dieses negative Erlebnis unbewusst mit dem Produkt. Und der Vermeidungsreflex verhindert dann zuverlässig einen Neukauf. Da kann sich die Marketingabteilung ausdenken, was sie mag. Der Kunde ist weg oder kauft notgedrungen trotzdem das Produkt, hat sich aber –oft unbewusst- die „Rückennummer“ gemerkt und springt freudigen Herzens ab, sobald es eine Alternative gibt.
Jeder, der etwas verkauft, egal ob es eine Ware oder Dienstleistung ist, sollte diesen Satz beherzigen: der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!
Wie man das heraus bekommt? Ganz einfach: durch Empathie. Und wenn es mir noch nicht gelingt, mich in meinen Kunden hinein zu versetzen, dann frage ich ihn wenigstens danach, was man verbessern könnte. Bis es aber soweit ist, müssen wir wohl noch mit Radio-Sendern leben, die ebenso fröhlich wie konsequent an ihrer eigentlichen Zielgruppe vorbei dudeln, mit Parfümerie- und Supermärkten, die täglich prüfen, wie viel Dezibel die werte Kundschaft wohl aushält, bevor sie gar nicht mehr kommt oder mit Bedienungen, die nach dem Motto verfahren: das einzige, was stört, ist der Gast!
Wir alle sind ja oft genug auch Konsumenten, kennen also diese und sicher noch tausend andere Beispiele mehr. Wir reagieren auf das, was uns stört vermutlich alle ähnlich. Entweder durch Unmut oder durch Vermeidung, je nachdem, ob man ein Kampf- oder ein Flucht-Typ ist. Sehr beliebt ist auch die Kombination aus beidem: schimpfen und weggehen bzw. gar nicht erst hingehen oder ausschalten. Da aber all das nicht Ziel führend im Sinne einer Veränderung ist und im schlechtesten Fall sogar Lebensfreude kostet, könnte man es ja mit Empathie probieren. Also versetzen wir uns einmal in den Filial-Leiter, den Verpackungs-Entwickler oder den Musik-Redakteur des Radio-Senders, dann werden wir feststellen, dass ihm das Potential zur Verbesserung vielleicht gar nicht bewusst ist.
Vielleicht meint er ja auch, dass man das so machen müsse oder hat sich zu diesem Punkt überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Im negativsten Fall interessiert ihn das ja vielleicht auch alles gar nicht.
Ein Interesse wird er aber immer haben: er will überleben und sich ernähren. Diese zwei Grundbedürfnisse des Menschen hat er auf jeden Fall. Und genau da kann man ansetzen. Es ist nur noch die Frage, wie man am besten vorgeht. Hier bietet sich wieder ein Lehrsatz an: die Lösung eines Problems befindet sich oft in der Insel des anderen (nach dem bekannten Insel-Modell meiner Kollegin Vera F. Birkenbihl). Und wie kommt man in die „Insel“ des anderen? Durch die Königin der Rhetorik: durch die Frage!
So manches konnte ich verbessern durch die offene und ehrliche Frage: „warum machen Sie das eigentlich so?“ Und durch diese Nachfrage: „könnten Sie sich vorstellen, dass Sie noch erfolgreicher wären, wenn Sie…..?“ Die Fragen müssen aber ohne belehrenden Unterton gestellt werden!
Zugegeben, es hat nicht immer funktioniert. Was macht man denn dann? Nun, dann erkenne ich wieder einmal, dass andere die Welt eben anders wahrnehmen, als ich und pfeife dabei das Lied: „glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist!“